Auch auf die Gefahr hin, dass ich mit meinen Gedanken etwas abseits & allein dastehe, versuche ich Gesehenes sowie v.a. Gehörtes ein wenig in Worte zu fassen und zu bewerten.
Generell: nach Abenden, die einen musikalisch und seelisch vollkommen greifen, stellt sich am Tag danach so eine Art Gefühl, etwas Unbeschreibliches erlebt zu haben, ein. Auf der "black market music" sowie "sleeping with ghosts" Tour erreichte dieses Gefühl ungeahnte Ausschweifungen und Höhen. 2006/2007 waren die Höhen weniger hoch, aber noch in Fragmenten spürbar. Vorgestern ging ich - zwar in dem Gedanken, Placebo erlebt zu haben - jedoch mit etwas erdrückendem Gefühl aus der Halle. Von Beginn an hatte ich den sicheren Eindruck, hier nicht etwas Aussergewöhnlichem beizuwohnen.
Das mag - wie so oft behauptet - am Publikum gelegen haben, das in meinen Augen zunächst alles andere als sicher schien, in den kommenden ca. 105 min in Ekstase auszubrechen respektive ihrem Gefühl freien Lauf zu lassen. Darüberhinaus war die Halle nicht mal knapp 2/3 gefüllt. Aber die Sache mit dem Publikum lassen wir mal so stehen. Vielmehr oder viel schlimmer ist es, wenn die Songs fehlen. Die sind das Salz in der Suppe. Damit kann man auch ein etwas träge wirkendes Publikum erwecken.
Und genau da setzt mein Hauptkritikpunkt an: ich war beinahe "fassungslos", wie die neuen Lieder daherkamen. Fast eins nach dem anderen. Viel Verpackung - leerer Inhalt. Soviel Blutleeres auf einem Haufen habe ich bei Placebokonzerten höchst selten erlebt. Alles an Instrumentierung wird quasi hineingewuchtet. Aber diese Tendenz zum "Mächtigen" zeigt sich ja bekanntlich nicht erst seit ihrer aktuellen LP. "Breathe underwater", eigentlich als Garant von Dynamik und Rasanz angedacht, kam live letzlich schauderlich gerümpelt daher.
Ansatzweise gelungen: "for what it`s worth" (mein Eindruck an diesem Abend, obwohl ich das Lied prinzipiell nicht mag). Als gelungener Eröffner fällt es allerdings in einer Reihe mit "bulletproof cupid", "black eyed", "scared of girls" oder "infra-red" (in dieser Funktion inspirierender inkl. anfänglichen Introauszügen des wundervollen Nola`s Key Songs "vivre son histoire") doch weit zurück. "Speak in tongues" hatte zwei, drei Momente, um den Bogen doch noch zu kriegen. "The never- ending why" war zwar hintenraus durchaus rockig und energetisch, aber viel zu überladen und eintönig. Als die Band zwischendurch vereinzelt Stücke früherer Alben platzierte, wurde einem das erst deutlich bewusst. Gerade in der klanglichen Instrumentierung und dem Aufbau eines Songs erkannte ich für Placeboverhältnisse bis dato ungeahndete Schwächen.
Die Gitarrenarbeit ist in eine völlig andere Richtung abgewandert. Bombastisch- hymnisch, manches mal durchaus dynamisch - mitnichten jedoch direkt, griffig und klar. (evtl. Ausnahme: "kitty litter", das jedoch unverständlicherweise den Weg aus dem Set fand). Wo früher minmalistische Ansätze im Zuge eines melodiösen, rhytmischen Flows saßen, regiert nun brachiale Langeweile. Es fehlt an Unmittelbarkeit.
"Follow the cops back home" vermittelte beispielsweise ein solches Mindestmaß an klangvoller Atmosphäre. Verwoben und versponnen schob sich der Klangspektrum im Gleichklang mit Molkos Stimmorgan bis unter das Hallendach. "Soulmates" gefällt immer noch sehr weil: dramaturgisch schön, hat aber mit Sicherheit auch schon bessere Tage erlebt. "Every you, every me". Durchgehetzt. Trotzdem noch um Längen besser als sämtliche Neuansetzungen in ihrer Gänze, weil: einfach ohne wenn und aber von vorne bis hinten gelungen. Übrigens: an dieser Stelle erinnerten sich weite Teile des Publikums wieder, warum sie eigentlich herkamen.
"Special needs" besitzt ziemlich viel Wünschenswertes, was einen Placebosong vereint. Dieses unfassbar schön entlang schlängelnde Riff, um das sich alles dreht. Aber auch hier haben die Herren von Placebo anno 2009 gedreht respektive umarrangiert. Die ergreifenste Version ist und bleibt die aus dem Jahre 2003 - trotzdem eine gelungene Mischung aus einem Meer an rauhen, verzerrten vordergründig auf den Refrain zulaufenden Gitarrenakkorden - immer mal wieder ergänzt und eingebettet in elektronische Versatzstücke. Unfassbar schön klingende Schwermut. Diese Momente lassen Placebos Musik so anders- bzw. einzigartig aussehen. Pikfein, irgendwie den Tick anders lässig, emotional. Traurig ist heutzutage lediglich, dass man davon viel zu wenig hört.
"Bright lights" war an jenem Abend der deutlich beste Song aus dem neuen Trakt. Zumindest live. Als neue, dritte Single rangiert er in meiner persönlichen Liste allerdings unter ferner liefen...Im Zugabenteil wurden Placebo ihrem hohen musikalischen Standard mehr als gerecht. Da passte es durchaus.
Ein bockstarkes "special K" (Stimme umhüllt die treibenden Gitarren perfekt), ein furioses "the bitter end" (einzig der letzte Songpart, in welchem sich Molko immer die Seele aus dem Leib trällert, fehlte), ein druckvoll aufgespieltes "infra-red" sowie das orgiastisch-feedbacklastige "taste in men" taten und leisteten ihr Übriges. "Glücklicherweise" fanden jetzt das Münchener Publikum und die Band mehr einander. Ginge doch oder! Womit ich wieder bei der Frage nach dem Salz in der Suppe ankomme...
Noch ein wort zum Drummer: wenn ich nochmal genau nachdenke, wirklich aufgefallen ist mir sein - teilweise hochgelobtes Spiel nicht wirklich (u.u. wegen der vielen neuen Lieder?). Ein Freund meinte gar, er hätte teilweise zu fest draufgehauen, was den Songs übel tat. Den Eindruck teile ich nicht in Gänze. Sein Spiel war so, wie es sein musste - vielleicht tat die Akustik ihr übriges. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass das frühere Schlagzeugspiel eines Steve Hewitt hinsichtlich eines gelungenen Songaufbaus und der Rhytmik nicht unterschätzt werden sollte, ohne Steve Forrest sein nachhaltiges Talent absprechen zu wollen.
Fazit: bei mir ist das Album über weite Strecken durchgefallen, auch live. Es reicht zu keiner Zeit an vergangene heran, sogar "meds" (das - wie ich persönlich empfinde- weit nach den ersten vieren kommt) taugt mehr, viel mehr. Technisch sauber gespielt haben sie ja, nur: die neuen Lieder geben einfach nicht mehr her. Das ist und bleibt meine Meinung. Die Zugaben zeigen jedoch, dass Placebo live eine unschlagbare Größe sind. Bei einem Placeboabend erwarte ich das einfach von Beginn an.
Insofern bekkomme ich halt allmählich "leichte Bandscheibenvorfälle" bei einer Band, deren Scheiben in mir eigentlich Freude und Glück auslösen.
Natürlich ist und bleibt Musik Geschmackssache. Punkt.
(Wer allerdings die Band seit langer Zeit kennt und vergangene Taten mitverfolgt hat, mag vielleicht den ein oder anderen Gedanken nachvollziehen).
"don`t forget to be the way you are!"
2 Kommentare:
ich gehe konform. fein zusammengefasst der herr!
Weil du mir einen netten Kommentar hinterlassen hast, aber auch, weil ich dir in fast allem komplett zustimme, gebe ich hier auch meinen Senf mal dazu.
Sehr, sehr gut geschrieben! Ich finde es beruhigend, dass nicht nur ich einen bitteren Nachgeschmack mit nach Hause genommen habe. Eigentlich schade, denn Placebo ist an sich ja schon eine fantastische Band...
LG, Kathy
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